
„Du bist ja verrückt“ – das war noch die freundlichste Anmerkung, die mir im Freundeskreis zugerufen wurde, als ich sagte, ich habe vor, in den Iran zu fahren. „Kann man das denn überhaupt?“. Ja – man kann, nein – man braucht keine besonderen Impfungen, ja – man braucht ein Visum. Und das zu bekommen erwies sich als recht einfach: der Veranstalter kümmerte sich darum.
Und so fand ich mich mit einer Reihe ebenso Mutiger (oder Verrückter?) an einem frühen Oktobernachmittag am Flughafen in Frankfurt wieder, ein unproblematisches Einchecken, ein erster gemeinsamer Kaffee zum Kennenlernen – dann ging es über Istanbul nach Shiraz im Südwesten des Iran. Die Einreiseformalitäten sind unaufgeregt, die Koffer alle dabei, der Transfer zum Hotel klappt reibungslos – ein guter Einstieg – aber nun erst einmal eine Runde Schlaf. Am nächsten Morgen: ein vorsichtiges Herantasten an die neue Umgebung. Das erste, was auffällt (eigentlich schon seit kurz vor der Landung), ist natürlich, dass alle Frauen ein Kopftuch tragen. Aber welche Unterschiede: der aus dem Fernsehen so bekannte Tschador spielt nicht die dominante Rolle. Zwar ist schwarz die häufigste Farbe, aber dazwischen geht es sehr bunt zu. Und die chic gebundenen Tücher lassen einiges der Haarpracht ihrer Trägerinnen erkennen. Und ein angemessenes Makeup gehört zum Standard vieler Iranerinnen. Die Zimmer sind durchaus internationaler Standard, vielleicht nicht gerade 5 Sterne, wie es auf der am Hotel angebrachten Plakette steht, aber doch wohnlich. Weiter draußen im Land dann ein wenig einfacher, aber weiterhin sauber. Und da im Oktober die Temperaturen recht angenehm sind (ca. 25° am Tage, kühler in der Nacht), erweisen sich die Klimaanlagen als unnötig. Beim Frühstück merkt man, dass Iran ein Land der Teetrinker ist, wird Tee doch im Norden angebaut – und Importe sind relativ teuer. Es gibt Omeletts, Salate, das im Ofen gebackene Fladenbrot, dazu Honig, Kuchen, die Süßspeise Halva – aber, eigentlich naheliegend, keinen Schweinespeck. Schließlich kann es losgehen: hinein ins Abenteuer Iran … … direkt ins Paradies.

Sozusagen Lektion 1: in einem Wüstenland wie dem Iran ist grün die Farbe des Paradieses (und des Propheten!), gesprenkelt mit dem Orange der Apfelsinen, dem Rot der Rosen, und dem Blau des plätschernden Wassers. Gärten sind der Stolz ihrer Architekten und Auftraggeber, Ausflugsziele auch der Iraner, Plätze für ein dezentes Stelldichein, ein vorsichtiges Sich-Anlächeln, vielleicht ein verstohlenes Berühren der Handrücken. Gärten, die Liebe, auch der inzwischen verschwundene Wein sind die Themen der Dichter, eines von Goethe so geschätzten Hafiz, der in einem ebensolchen Garten beigesetzt ist. Man findet diese Paradiese in jeder Stadt, oft auch mitten in der Wüste, wenn Wasser vor Ort ist oder über lange Strecken über Qanate dorthin geleitet wurde. In den Gärten meist ein Palast, eine Sommerresidenz, ein Blick in die Privatsphäre der einstigen Herrscher. Und eine Begegnung mit den „Klimaanlagen“ der islamischen Welt: den Windtürmen – verblüffend effizient, mit einem Wasserbecken als „Luftbefeuchter“. Hier ließe es sich aushalten, auch wenn es wärmer wäre.

Schon im ersten Garten fallen Mitreisende zurück: so leicht ist es, mit den Iranern, mehr noch mit den Iranerinnen, ins Gespräch zu kommen. Das Interesse von beiden Seiten ist hoch, unsere Persisch-Kenntnisse bedürfen noch weiterer Anstrengungen, aber viele Iraner sprechen wenigstens ein wenig Englisch (einige ein exzellentes), und bei gutem Willen helfen Hände, Füße und ein Lächeln unproblematisch weiter. Jede Seite macht noch schnell ein gemeinsames Gruppenfoto: ja – hier sind wir noch etwas Besonderes, Gäste, über die man sich freut, die man herzlich willkommen heißt. Der Stolz der Iraner sind ihre blau und rosa gefliesten Moscheen, die schiitischen in der Regel mit zwei Minaretten. Charakteristisches Gebäudemerkmal: der Iwan, die nach einer Seite offene Empfangshalle, oft vierfach ausgeführt. Wie schon in der Geschichte von Moses am Dornbusch zieht man die Schuhe aus, wenn man heiligen Boden betritt. Man wird belohnt mit weichem Teppich, mit einer üppigen Innenausstattung, in der die Kaligraphie, der bildliche Umgang mit den arabischen Buchstaben, die dominante Rolle spielt. Arabisch ist die Sprache des Koran, und auch das Persische wird heute in arabischen Buchstaben geschrieben, ist aber – wie für uns Englisch oder Französisch – eine andere Sprache. Das für mich Phantastischste ist die Ausgestaltung der Apsiden, ein Meer kleiner Conchien, wunderschön drapiert mit bebilderten Fliesen. Bleibt zu erwähnen, dass man uns als ahl al-kitab, Anhängern einer Religion des Buches, auch in den Moscheen und Madrassen, den Koranschulen, sehr freundlich begegnet.

Und dann liegt der Duft von Gewürzen in der Luft: der Bazaar ist nah und bildet einen unwiderstehlichen Sog auf die ganze Gruppe aus. Kurz einen Treffpunkt vereinbart, dann strömen alle in die langen überdachten Gassen – oder sollte man vielleicht doch besser zusammenbleiben, bei diesem Gewirr von Gassen? Und vielleicht ist es hilfreich, den iranischen Guide beim Kauf zu Rate zu ziehen. Um es vorweg zu nehmen: Gehandelt wird viel weniger, als uns einschlägige Führer glauben machen, am ehesten läuft so etwas über Mengenrabatt. Nach zwei Stunden trifft sich die Gruppe wieder, erschöpft und glücklich, man zeigt sich die erworbenen Schätze: Seidentücher, Kästchen in Einlegearbeit oder aus Kamelknochen, kunstvoll bemalt, Gewürze. Man hat im Goldbazaar herein geschaut und sich wunderschöne Teppiche zeigen lassen, einige haben CDs und DVDs erworben. Und für die, die noch weitersuchen wollen, gibt es ja weitere Bazaare, jede Stadt hat einen, Isfahan vielleicht den eindrucksvollsten.

Beim Abendessen treffen wir unsere Gewürze wieder: Safran begleitet den langkörnigen iranischen Reis, Berberitzen und geraspelte Orangenschalen machen ihn noch würziger, Granatäpfel ergeben eine phantastische Soße zum Hühnchen. Bei den uns anlächelnden Tomaten sind wir vorsichtig, und können nach einigen Tagen doch nicht widerstehen, und es passiert – nichts. Es schmeckt einfach nur. Dem einen oder anderen fehlt nur das Glas Wein oder Bier zum Essen. Ein alkoholfreies Radler ist für viele Ersatz – aber eigentlich gehört Joghurt dazu, Dough, leicht gesalzen, manchmal mit Gurken oder Zwiebeln. Und danach wieder – wie öfters über den Tag – ein Tee.
Natürlich hat der Iran kulturell und historisch sehr viel zu bieten. Wir kennen die Perser ja meist aus griechischer Perspektive, die Aggressoren, die Griechenland erobern wollten. In Persepolis lernt man viel über das relativ liberale Regime der damaligen Zeit, ein echter Vielvölkerstaat. Parther und Sassaniden sind uns aus römischer Überlieferung bekannt – und haben eindrucksvolle Felsenreliefs hinterlassen. Die Zoroastrische Religion dieser frühen Phase hat bis heute überlebt, ja hat einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf die iranische Form des Islam, die Schia, genommen. Die zoroastrischen Feuertempel sind in Betrieb, nur die Türme des Schweigens – die Bestattungsorte – sind ihrer Funktion beraubt.

Wir lernen viel über die arabische Zeit, dass Invasoren vom Osten dreifach über das Land gezogen sind, mordend und zerstörend, dass sie aber immer letztendlich dem Charme des Iran erlegen waren, sich dessen Kultur angeeignet haben, eigene kulturelle Impulse gesetzt haben. Der Bogen bis hin nach Samarkand und Bukhara im heutigen Uzbekisten wird deutlich. Dies zeigt aber auch, dass Schutz notwendig war, Stadtmauern, Festungen – wie im inzwischen leider durch ein Erdbeben zerstörten Bam und im in der Nähe gelegenen, noch weitgehend intakten Rayen. Kehren wir zurück zum Anfang. Zum Grün der Gärten und des Paradieses gehört als Kontrapunkt das Gelb der Wüste und das Weiß der Salzseen. In ihrer Kargheit lädt die Wüste zum Insichgehen ein, dazu, zur Ruhe zu kommen, Landschaft auf sich wirken zu lassen, die schroffen Berge, malerische Sonnenuntergänge, der einzelne Baum. Und dann – in Tagesmarsch-Abständen – Karawansereien, denn wir befinden uns schließlich im Bereich der Seidenstraße. Und noch eine beeindruckende, beruhigende Wüsten-Erfahrung: unser funkelnagelneuer 4+-Bus hatte auf einer Wüstenstrecke eine Panne – und es dauerte nur zwei Stunden, bis wir in einem Ersatzbus weiterfahren konnten, gerade noch genug für ein genussvolles Picknick.
Ein Resume? Nicht ganz einfach. „Verrückt“ war diese Reise sicherlich nicht – und keiner der Reisenden hat sich auf dieser Reise unwohl oder unsicher gefühlt. Reisende, die schon mehrmals im Iran waren, erzählen von Veränderung, dass es leichter geworden sei, ins Gespräch zu kommen. Dies entspricht der in der Öffentlichkeit wahrgenommenen vorsichtigen Öffnung des Landes zum Westen hin, ein erstes Telefonat der Präsidenten des Iran und der U.S.A. hatte gerade stattgefunden, ein ermutigendes Zeichen. Jedenfalls: wir fühlten uns hoch willkommen, als Gäste und nicht als Touristen. Eine Erfahrung, die geradezu dazu auffordert wiederzukommen, sich auch andere Teile des Landes anzusehen und zu spüren, wie sich dieses Land entwickelt, dabei zu sein bei diesem spannenden Prozess. Ein Wort Persisch hat jeder von uns behalten: Es wird möglich werden, wenn Gott es will — Inshallah.