
„Ach, Ulrike“ – der etwas melancholische Seufzer, den Walser zufolge Goethe in seiner verliebten Sprachlosigkeit ausstößt – er könnte genauso Marienbad gelten: „Ach, Marienbad“. Marienbad hat etwas von einem Traum, man glaubt manchmal noch die Walzer zu hören, die hier in der guten alten k. u. k. Zeit gespielt wurden, man sieht die Paare, er mit Zylinder, sie im langen Krinolinenkleid, durch die Wandelhalle schlendern, den anderen Paaren freundlich zunickend. Die Einfachheit der ersten Jahre, die Goethe in dem neuentwickelten Kurort in den 1820er Jahren erlebte, sie war einer Mondänität gewichen, die gekrönte Häupter aus aller Welt anzog. Der häufigste Besucher war Edward VII. von England, der hier seine Gicht (und sein Übergewicht) kurierte – eine Werbung ohne gleichen für den aufstrebenden Kurort. Natürlich hat sich Marienbad seitdem verändert, aber vieles ist auch geblieben, wird liebevoll wieder hergerichtet: man ist stolz auf die königliche Badewanne, stickt immer wieder Kronen in die Teppichmuster, nennt sich Royal Spa – und hat sogar einen Royal Golf Club. Und auch die Natur beschenkt Marienbad weiterhin reichlich: mit zahlreichen Quellen, denen man genau diese Heilwirkungen zuschreibt, mit der einzigartigen Gasquelle, die das Kohlendioxid (und ein wenig mehr) für die Gasbäder und das Quaddeln, aber auch den „Champagner-Effekt“ der Mineralbäder beisteuert.
Natürlich gibt es heute viele Heilbäder mit eindrucksvollem Kurangebot. Aber Marienbad bleibt doch etwas Besonderes: die Lage im nebelfreien, sonnigen, weiten Tal inmitten des Kaiserwalds, der zum Wandern einlädt. Mitten im Tal der großzügig angelegte Park im englischen Stil (fürs Spazieren) und die geschwungenen Kollonaden im Stil des Fin de Siecle (zum Flanieren). Rundum arrangiert die Hotels im Stil des Art Deco. Alles in fein abgestuftem Weiß und Gelb – eine Remineszenz an die Habsburger-Zeit. Ein Gesamtbild, das zum Flair von Marienbad beiträgt. Oder – wie es ein jüngerer Gast in Marienbad einmal formulierte: man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt, wird „entschleunigt“, kommt ganz automatisch an in der Phase der Entspannung und Erholung.
Und dazu tragen auch die Anwendungen bei, beeindruckend viele (im Schnitt 5!) werden im Tag untergebracht: das reicht von leicht sprudelnden Mineralbädern über Packungen aus dem Torf der Hochmoore der Umgebung bis zur obligatorischen Trinkkur: wobei es für jeden Geschmack und für jedes Zipperlein eine geeignete Quelle gibt – von hochmineralisiert bis zu einem beinahe „normalen“ Mineralwasser. Die zuständige Ärztin (eine „MUDr.“ der Karlsuniversität in Prag) nimmt sich Zeit für ihre Kurgäste, es wird eingehend untersucht und analysiert und dann entsprechend verordnet. Und damit ist dies auch eine Kur, die von deutschen Krankenkassen anerkannt wird (aber man sollte sich vorher nach den Voraussetzungen erkunden). Die tschechischen Masseure sind Meister ihres Fachs, ob bei der klassischen Teilmassage, der Variante mit heissen Steinen, mit aromatischen Ölen oder bei der Fussreflexzonenmassage. Dazu Schwimmen, Sauna, ein Weilchen im Fitness-Center…
Die Unterbringung ist gediegen: ein gutes 4*-Kurhotel, frisch renoviert, die Anwendungen im Haus – der Kurpark ist gleich um die Ecke, es ist ruhig, die Betten sind gut, man schläft himmlisch. Dies umso mehr, als zu den internationalen und böhmischen Gerichten ein gutes Bier – oder ein mährischer Wein – gehört. Man träumt sich in die alte Zeit hinüber, bei Candlelight und Walzerklängen …
Einfach ein „guter Ort“, um Abstand vom Alltag zu gewinnen, um „die Batterie aufzuladen“ — selbst wenn es nur für eine Woche ist. Man wird sich an die Tage gerne erinnern und wiederkommen: „Ach, Marienbad“