
Italien – das kennt man doch, da sind wir doch schon gewesen. Natürlich: es gibt die Toskana-Fraktion, es gibt die Opernaufführungen in der Arena von Verona, es gibt Kochkurse im Piemont und natürlich das Törgelen in Südtirol. Aber mal ehrlich: wer kennt die Emila, wer die Romagna? Erst wenn die ersten Ortsnamen genannt werden, dämmert es: Parma, Reggio, Bologna – aha: Parma-Schinken, Parmesan, Nudeln à la Bolognese. Leider sind gerade letztere zum Billiggericht mit Fertigsaucen verkommen – aber: es lohnt sich der kulinarischen Seite auf den Grund zu gehen: die Wurzeln sind um vieles besser … Und dann gibt es in dieser Region noch viel Kulturelles zu entdecken: Spannende Tage und Abende sind somit auf einer Reise in die Emilia-Romagna sichergestellt.
Der Vorteil der Emilia-Romagna ist ihre relative Nähe – gerade einmal eine Stunde fliegt man von Frankfurt nach Bologna – und in Bologna ist man bereits „mittendrin“. Die Region ist – wie in Italien üblich – untergliedert in Provinzen. Und da Italien wie Deutschland in seiner Geschichte sehr regional geprägt war („Flickenteppich“), hat eigentlich jede Provinzhauptstadt ihre eigene regionale Geschichte, ihre bedeutsamen Kunstwerke, ihren eigenen Charakter.
Parma — nicht nur des Schinkens wegen

Beginnen wir mit Parma mit seinem Dom, der so eindrucksvoll ausgemalt ist, mit seinem Baptisterium , eingebettet in eine lebendige Altstadt. Wie viele Städte hat Parma über die Jahrhunderte immer wieder gelitten, wurde teilweise zerstört und wieder aufgebaut. Am deutlichsten wird dies am alten Schloßkomplex, dem wesentlich Teile seines Carrés abhanden gekommen sind. Und dennoch: das Teatro Farnese ist ein Kleinod, die Museen sind beeindruckend – sie schildern die „weltliche“ Seite dieser Residenzstädte. Natürlich findet sich in einer der Seitenstrassen der Altstadt ein kleines Restaurant, das hausgemachte Nudeln mit Parmesan anbietet und Parmaschinken, zudem etwas länger gereiften, satt. Dazu trinkt man einen Lambrusco – natürlich werden Erinnerungen an die Studentenzeit wach, aber das „Original“ ist doch deutlich besser, ist ein DOC. Dann geht es aufs platte Land – die Dörfer der Po-Ebene sind eigentlich nicht besonders sehenswert, gäbe es da nicht die Geschichte von Don Camillo und Peppone – hier spielt der Kampf der Kirche und der Kommunisten um die Kleinbauern und Landarbeiter, obwohl ja letztlich beide Seiten das Wohl ihrer „Schäfchen“ sicherstellen wollen. Wer hat nicht den Glocken läutenden Fernandel und den die Internationale singenden Gino vor Augen? Und auch Bertolucci setzt mit seinem Filmepos „1900“ der Region ein Denkmal. Seitdem hat sich viel geändert, neben der Landwirtschaft gibt es eine prosperierende Industrie. Wir sind in Norditalien.

Am nächsten Morgen geht es in die nahen Berge des Apennin. Dort, südlich von Parma, entstehen die berühmten Schinken. Es darf probiert und verglichen werden: wie groß ist der Einfluß der Lagerung, wie muß der Schinken richtig dafür vorbereitet werden? Gleichzeitig ist dies das Land der Burgen: Torrechiara ist sicherlich die eindrucksvollste, vermittelt sie doch in ihrem Erhaltungszustand ein Bild der Dominanz über die Landschaft. Aber für uns Deutsche ist Canossa natürlich viel wichtiger. Heute nur noch eine Ruine in eindrucksvoller Landschaft, steht sie für die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst, aber auch für die Bedeutung der Rolle der Frau im Mittelalter, hatte doch Matilde beide „Streithähne“ schließlich zusammengebracht. Jedenfalls ist „ein Gang nach Canossa“ im Mai deutlich dem vorzuziehen, was historisch als kalter Winter überliefert ist. Im Gegensatz zu Heinrich IV. kommen wir beim Anstieg zum Burgberg ins Schwitzen. Der Abend klingt aus in einer Osteria in den Bergen, mit herrlichem Blick auf die Ebene, mit kulinarischen Kreationen rund um das Thema Aceto Balsamico. So läßt es sich leben …
Die Rote, die Weise, die Fette? Bologna

Bologna hat im Italienischen eine Reihe von Spitznamen: so ist es die Rote – und man streitet sich darüber, ob dies den rot gebrannten Ziegeln ihrer Gebäude oder der traditionell linken Einstellung ihrer Bewohner gilt. Dann ist es die Weise, denn Bolognas Universität ist die älteste der Welt. Und schließlich nennt man Bologna die Fette, was im Mittelalter als Kompliment für die Küche gemeint war. Tatsächlich ist sie nicht so „fett“, sondern erfreulich vielfältig, lädt ein zum Verweilen in den überbordenden Schinken- und Käsegeschäften der Altstadt hinter der Piazza Maggiore, die meist auch einige Tische für einen Mittagssnack bereithalten. Man lernt schnell, daß man hier nicht von „Bolognese“ spricht, sondern ehe Tortellini al ragú bestellt, dazu vielleicht einen Prosecco – und dann – obligatorisch – auch ein kleines Essen mit einem Espresso an der Theke der benachbarten Bar abschließt. So mit neuer Kraft gerüstet, kann man sich den Geschäften in der … widmen, kann dann noch schnell ein Eis essen – bevor es uns gegen Abend zur nächsten Osteria zieht.
Modena hat – wie ist es anders zu erwarten – einen beeindruckenden Dom, diesmal mit besonders schöner Krypta. Es ist gerade Feiertag, die ganze Stadt ist auf den Beinen, zahlreiche Buden bieten Spezialitäten aus der Region an. Modena hat der italienischen Küche seinen Aceto Balsamico geschenkt. Ausführlich wird in einer Aceteria der Herstellungsprozess erläutert, die Reifung in immer kleineren Fässern, bis schließlich ein Zwanzigjähriger entsteht, der auf reifen Parmesan oder eine Erdbeere geträufelt einen Eindruck vom Paradies gewährt. Und dann gibt es natürlich dort das Thema „Ferrari“ mit einem neugestalteten Museum – und der Fertigung wenig weiter südlich.

Ferrara hat damit wenig zu tun, ist uns aber in den kürzlich gezeigten Filmen über den Borgia-Papst kurz in Erinnerung gerufen worden – denn Lucrezia Borgia war schließlich eine gute Landesmutter im dortigen Herzogtum. Die mächtige Wasserburg inmitten der Stadt kontrastiert deutlich mit dem Rathaus und der Kathedrale, um die herum sich kleine Cafes angesiedelt haben. Weit nach Osten zu, früher am Meer gelegen, steht die Abteikirche Sta Maria di Pomposa wieder für die lange gemeinsame Geschichte unter den mittelalterlichen Kaisern. Ein Salier, Abt Heinrich, brachte sie zur Blüte. Heute schmückt sie sich mit schönen Fresken.
Wo sonst findet man solche Mosaike?

Ravenna steht wie keine andere Stadt Italiens für die Zeit nach dem Untergang Westroms. Hier hatten die Ostgoten Theoderichs ihre Hauptstadt, hier steht sein Mausoleum, aber – viel eindrucksvoller – zahlreiche Kirchen mit byzantinisch geprägten Mosaiken, die wohl zum Schönsten gehören, das man weltweit finden kann. Kein Wunder, das Ravenna eine der ersten Städte war, die den begehrten Status des UNESCO-Weltkulturerbes erhielt. Das ganze ist eingebettet in eine schöne Altstadt mit alten, z. T. in Hotels umgewidmeten Palazzi, mit gemütlichen Enoteche, in denen man die lokalen Spezialitäten, Würste, Wein geniessen kann. Und schließlich ist auch das Meer nicht mehr weit, die Adria, die mit ihren Fischgerichten aufwartet.
Die Zeit in der Emilia-Romagna vergeht schnell – und so bleibt gerade noch Zeit, die wunderschöne Renaissance-Bibliothek in Cesena zu besuchen mit ihren Handschriften und frühen Drucken – ehe es zurückgeht zum Flughafen.
Ein Resumé: Italien hat so viele schöne Regionen, die zum Teil viel zu wenig bekannt sind. Die Emilia-Romagna gehört dazu – und sie ist unbedingt eine Reise wert: aufgrund ihrer vielfältigen Kunstschätze, aber auch, um diese Tage kulinarisch zu geniessen. Es war bestimmt nicht ein letztes Mal …