Kampanien

Paes­tum — pho­to: LCTours

Kennst du das Land, wo die Zitro­nen blühn,
Im dun­keln Laub die Gold­oran­gen glühn,

Ein sanf­ter Wind vom blau­en Him­mel weht,
Die Myr­te still und hoch der Lor­beer steht,
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin
Möcht’ ich mit dir, o mein Gelieb­ter, ziehn!

(J. W. Goethe)

Jeder kennt das berühm­te Bild von Tisch­bein: Goe­the in der Cam­pa­gna (Roma­na), doch die ist gleich bei Rom und Goe­the zog es auf sei­ner Ita­li­en­rei­se viel wei­ter nach Süden, nach Sizi­li­en und nach Kam­pa­ni­en. Und hier, z. B. an der Fel­sen­küs­te von Amal­fi mit den Zitro­nen­hän­gen, muss wohl sein Lied der Mignon ent­stan­den sein[1]. Kam­pa­ni­en ist eine der Regio­nen Ita­li­ens. Mit den Hoch­ge­schwin­dig­keits­zü­gen Freccia Ros­sa dau­ert es gera­de ein­mal 75 Minu­ten von Rom in die Regio­nal­haupt­stadt Nea­pel (bei zeit­wei­se Tem­po 300 km/h)! Und damit ist man im Mez­zo­gior­no, in Ita­li­ens Süden angekommen.

Lin­gua & Cul­tu­ra Tours bie­tet eine Lite­ra­tur­rei­se mit dem Goe­the-Fach­mann Prof. Dr. Die­ter Borchmey­er auf Goe­thes Spu­ren in der Kam­pa­nia vom 10. bis 17. Sep­tem­ber 2023 an. Auf die­ser Rei­se wer­den Sie die Orte die­ses Rei­se­be­richts ken­nen­ler­nen, wer­den sie mit “Goe­thes Augen” sehen und wer­den Land, Leu­te und Küche der Regi­on genie­ßen kön­nen.

Alt­stadt von Nea­pel — foto: LCTours

Nea­pel ist ganz anders als Rom – zum einen eine Hafen­stadt direkt am Meer mit zahl­rei­chen Ver­bin­dun­gen auf die nahe­ge­le­ge­nen Inseln und nach „Über­see“. Und zumin­dest deut­lich anders als die sehr win­ke­li­ge Alt­stadt von Rom wirkt Nea­pels Alt­stadt geplant: drei von römi­schen Reiss­brett-Stät­ten bekann­te „Decu­ma­ni“ durch­zie­hen sie in weit­ge­hend gera­der Linie, ver­bun­den durch zahl­rei­che klei­ne Quer­stra­ßen, zum Hafen hin auch über Trep­pen. Dabei ist Nea­pel kei­ne römi­sche Grün­dung, son­dern geht – wie der Name Nea Polis schon sagt – auf die Grie­chen zurück, ist Teil der Magna Grae­cia, der wir spä­ter noch begeg­nen wer­den. Die Alt­stadt ist quir­lig, vol­ler klei­ner Restau­rants, viel Tou­ris­ten­kitsch, aber auch wun­der­schö­ne Krip­pen­land­schaf­ten in der Via San Gre­go­rio Armeno. 


Sta Resti­tu­ta — foto: LCTours

Dazwi­schen alte Kir­chen, zunächst erstaun­lich unauf­fäl­lig: der Dom, von dem man zunächst nur die etwas zurück­ge­setz­te Fas­sa­de sieht. Innen zwei High­lights: die Kapel­le des Schutz­pa­trons der Stadt, des hei­li­gen Janu­a­r­i­us, mit einer Schatz­kam­mer. Und als ältes­ter Teil des Kir­chen­kom­ple­xes die Kapel­le der Sta Resti­tu­ta, quer ange­baut, mit zahl­rei­chen Spo­li­en und einer mit Mosai­ken im byzan­ti­ni­schen Stil geschmück­ten spät­an­tik­en­Tauf­ka­pel­le. Wie vie­le alte Städ­te ist Nea­pel in der Geschich­te „gewach­sen“, die älte­re Geschich­te kann man daher im Unter­grund besich­ti­gen. Eine fin­di­ge Grup­pe hat hier Dan­tes Infer­no ange­sie­delt: man trifft auf eine Rei­he von Figu­ren aus sei­ner Gött­li­chen Komödie.

Cas­tel­lo del­l’O­vo — foto: LCTours

Nea­pel war über Jahr­hun­der­te Haupt­stadt des gleich­na­mi­gen König­reichs, zuletzt des Königs­reichs bei­der Sizi­li­en. Daher gibt es eine Rei­he von Bur­gen und Schlös­sern, viel­leicht am ein­drucks­volls­ten das Cas­tel­lo del­l’O­vo auf einer vor­ge­la­ger­ten Insel. Von dort führt eine lang­ge­streck­te Strand­pro­me­na­de nach Nor­den mit zahl­rei­chen Cafes und Restau­rants, ein Sonn­tags­ver­gnü­gen für Nea­po­li­ta­ner und Tou­ris­ten. Der Weg zurück in Rich­tung Alt­stadt führt an der Gale­ria vor­bei – bei­na­he so ein­drucks­voll wie die von Mai­land. Und schließ­lich lan­det man im Natio­nal­mu­se­um. Die Samm­lung ist beein­dru­ckend – Schät­ze aus Pom­pe­ji (wie die Alex­an­der­schlacht), die Samm­lung der Fami­lie Far­ne­se, eine gan­ze Mosa­ik­ab­tei­lung bil­den die Höhe­punk­te. Und dann natür­lich die gehei­me Samm­lung ero­ti­scher Bil­der aus Pom­pe­ji – die Aus­grä­ber waren so scho­ckiert, dass man die Fun­de unter Ver­schluss hielt. Heu­te fin­det man an vie­len Zeit­schrif­ten­stän­den Anstößigeres…

Her­kula­n­ä­um — foto: LCTours

Im Hin­ter­grund immer der Vesuv – in die­sen Tagen ruhig. Dass die Erde hier aktiv ist, kann man auf den ein wenig nörd­lich lie­gen­den Phle­gräi­schen Fel­dern sehen: es dampft und zischt und “duf­tet“. Lei­der kann man nach einem töd­li­chen Unfall 2017 nicht mehr näher her­an­kom­men – was viel­leicht auch bes­ser so ist. Die Gewalt des Vesuvs wird in den ehe­mals römi­schen Städ­ten Her­kula­n­ä­um und Pom­pe­ji deut­lich. Im Jahr 70 n. Chr. kam es zu einem ver­hee­ren­den Aus­bruch, der bei­de Städ­te unter meter­ho­hen Asche­schich­ten begrub. Die Dra­ma­tik wird in den Schil­de­run­gen von Pli­ni­us dem Jün­ge­ren deut­lich, sein Onkel Pli­ni­us der Älte­re kam bei Ret­tungs­ver­su­chen ums Leben. Seit dem 18. Jahr­hun­dert wur­den bei­de Städ­te aus­ge­gra­ben: man erhält einen beein­dru­cken­den Ein­blick in das Leben der frü­hen römi­schen Kai­ser­zeit. Her­kula­n­ä­um (heu­te: Erco­lo) war ein Fischer­dorf, ein Schiff wur­de Kiel nach oben gefun­den, wohl das Resul­tat eines Tsu­na­mi. Eine Flucht über See schei­ter­te wohl durch hei­ße Gase und pyro­plas­ti­sche Ströme. 

Pom­pe­ji — foto: LCTours

Pom­pe­ji war grö­ßer, wohl­ha­ben­der. Die Vil­len mit ihren Aus­ma­lun­gen (soweit sie nicht in Nea­pel sind) beein­dru­cken. Ein gro­ßes Forum, Tem­pel, Thea­ter – einen Ein­druck, wie das damals aus­ge­se­hen hat, zeigt eine fil­mi­sche Wie­der­auf­er­ste­hung im Nationalmuseum.

Ein Sprung zurück ins Jetzt: Sor­rent ist ein Anzie­hungs­punkt für Tou­ris­ten. Es liegt auf einem Hoch­pla­teau über einer stei­len Fel­sen­küs­te und ist Aus­gangs­punkt für die Schif­fe zur nahe­ge­le­ge­nen Insel Capri. Eine gute hal­be Stun­de und man ist dort. Zwei Ort­schaf­ten tei­len sich die Insel: Capri und Ana­ca­pri. Capri sitzt auf einem Sat­tel zwi­schen den bei­den Haupt­ber­gen, kann über eine Funi­cu­la­re mühe­los erreicht wer­den und wim­melt nur so von Tou­ris­ten. Ana­ca­pri wird über eine schwin­del­erre­gen­de Stra­ße erreicht, ist zumin­dest etwas ruhi­ger: ein net­tes Städt­chen mit klei­nen Läden und Restau­rants. In der dor­ti­gen Casa Ros­sa hat sich ein exzen­tri­scher Ame­ri­ka­ner ein Denk­mal gesetzt, eine phan­tas­ti­sche Samm­lung. Der schwe­di­sche Arzt und Autor Axel Mun­the leb­te in Ana­ca­pri  („Das Buch von San Miche­le“). Ver­lässt man den Ort, wird es schnell ruhig. Der Weg in Rich­tung Blau­er Grot­te ist gera­de­zu ver­wun­schen. Lei­der wird im Febru­ar reno­viert – vie­les ist geschlos­sen oder gesperrt. 

Capri — foto: LCTours

Ähn­lich ergeht es mir auf dem Berg süd­lich des Städt­chens Capri. Durch weit­läu­fi­ge Vil­len­vier­tel steigt man hin­an zur Vil­la Jovis, einst das Refu­gi­um von Kai­ser Tibe­ri­us. Auf etwas aben­teu­er­li­chen Wegen mit phan­tas­ti­schen Bli­cken (die Tibe­ri­us offen­sicht­lich genoss) geht es zur Vil­la Lys­is, die 1904/05 ent­stand. Ein Blick zurück vom Schiff zeigt, wie spek­ta­ku­lär die­se Gebäu­de lie­gen. Nur der Son­nen­un­ter­gang hin­ter Capri woll­te sich nicht einstellen …

Ravel­lo — foto: LCTours

Der nächs­te Tag ist eine Her­aus­for­de­rung für Auto­fah­rer: die Stra­ßen ent­lang der Amal­fi­küs­te sind eng und kur­ven­reich – und vol­ler ein­hei­mi­scher Fah­rer, die ande­ren zei­gen wol­len, wie schnell sich die­se Stra­ßen fah­ren las­sen und dass ein Über­ho­len eigent­lich immer mög­lich ist. Posi­ta­no ist wegen einer Ver­an­stal­tung gesperrt, aber die bun­ten Häu­ser lie­fern auch so einen schö­nen Kon­trast zum Grau­schwarz der Fel­sen, dem sprie­ßen­den Grün und dem Gelb der Zitro­nen. Amal­fi zeigt sich offe­ner: mit einem ein­drucks­vol­len Dom, zu dem man 33 Stu­fen empor­stei­gen muss. Zu dem Cimi­tero Monu­men­ta­le geht es noch viel wei­ter hoch. Bau­ma­te­ri­al wird hier noch ganz klas­sisch per Esel trans­por­tiert. Dem Städt­chen merkt man an, dass es sich in ein enges Sei­ten­tal hin­ein­quetscht. Oft geht es durch Arka­den, die Stän­de sind bunt und ein­la­dend, das Gan­ze weit­ge­hend ver­kehrs­be­ru­higt (sieht man von den Ves­pas ein­mal ab). Das eigent­li­che High­light der Amal­fi­küs­te liegt etwas ober­halb, ab von der Küs­ten­stra­ße: Ravel­lo. Die dor­ti­ge Vil­la Rufo­lo wur­de im 13. Jahr­hun­dert  erbaut. Heu­te zeigt sie sich nach Umge­stal­tung im 19. Jahr­hun­dert mit wun­der­schö­nen Gär­ten und einem phan­tas­ti­schen Aus­blick auf die Amal­fi­küs­te und das Meer. Beson­ders stolz ist man auf einen Besuch Richard Wag­ners 1880, von dem es heißt, dass er die Inspi­ra­tio­nen zu Klings­ors Zau­ber­gar­ten im Par­zi­val in Ravel­lo hatte.

Paes­tum — foto: LCTours

Etwas wei­ter süd­lich, süd­lich von Saler­no, wird die Magna Grae­cia greif­bar: in Paes­tum haben sich drei Tem­pel aus dem 5. Jahr­hun­dert v. Chr. erstaun­lich gut erhal­ten. Wohl auch, weil sie zumin­dest in römi­scher Zeit adap­tiert wei­ter­ge­nutzt wur­den. Der Ein­druck die­ser dori­schen Tem­pel gera­de bei tief­stehen­der Son­ne ist umwer­fend. Den Rest des Orts muss man sich rekon­stru­iert vor­stel­len – anhand der guten Aus­schil­de­run­gen. Übri­gens: das Wet­ter im Febru­ar war herr­lich – und die Sehens­wür­dig­kei­ten nicht überlaufen.

Ein letz­ter Stop in Kam­pa­ni­en: Caser­ta, das „Ver­sailles“ des König­reichs Nea­pel. Ein rie­si­ger Gebäu­de­kom­plex, der im 18. Jahr­hun­dert begon­nen wur­de und Mit­te des 19. Jahr­hun­derts in die heu­ti­ge Form gebracht wur­de – weni­ge Jah­re bevor das König­reich bei­der Sizi­li­en in das neu ent­stan­de­ne König­reich Ita­li­en ein­ge­glie­dert wur­de und die Bour­bo­nen abdan­ken muss­ten. Neben den reprä­sen­ta­ti­ven Räu­men beein­druckt die lang­ge­streck­te Gar­ten­an­la­ge, die sich bis an den Hori­zont zu zie­hen scheint. Und wenig wei­ter, ein wenig in die Ber­ge hin­ein, kann man Ita­li­en noch sehr urwüch­sig erle­ben, mit klei­nen Restau­rants, in denen die „Mama“ noch die haus­ge­mach­te Pas­ta berei­tet und mit einem loka­len Mon­te­pul­cia­no di Abruz­zo ser­viert – oder am Abend eine Piz­za Bian­ca, die dar­an erin­nert, dass hier auch die Gegend des Büf­fel­moz­za­rel­la ist. Die gute loka­le Küche ist in Ita­li­en allein schon eine Rei­se wert …

Caser­ta — foto: LCTours

Von Caser­ta aus ist es ein Kat­zen­sprung nach Nea­pel. Mit dem Freccia Ros­sa geht es zurück in den Norden …


[1] Die Lite­ra­tur­wis­sen­schaft geht davon aus, dass Goe­the in sei­nem Mignon-Lied Bezug nimmt auf die Zitro­nen­gär­ten am Gar­da­see, es könn­te aber auch tat­säch­lich die Amal­fi-Küs­te sein, die für ihre Zitro­nen­ter­ras­sen berühmt sind.

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