Uisge What? Schottland!

Ard­beg Distil­lery auf Islay — pho­to: M. Baumert

Uis­ge bea­tha – was ist denn das? Erst wenn es aus­ge­spro­chen wird, däm­mert es: es ist das schot­ti­sche Wort für Whis­ky – und soll nichts ande­res hei­ßen als Was­ser des Lebens, Aqua Vitae. Und damit sind wir mit­ten in der schot­ti­schen Kul­tur, in der schot­ti­schen Land­schaft und der schot­ti­schen Spra­che. Denn letz­te­re ist auch sonst gewöh­nungs­be­dürf­tig. Dies wird spä­tes­tens dann klar, wenn man sich mit dem Kult­film „The Angels‘ Share“ in der Ori­gi­nal­spra­che beschäf­tigt, eine Her­aus­for­de­rung auch für die­je­ni­gen, die Eng­lisch im täg­li­chen Geschäft flie­ßend sprechen.

Eilean Donan Cast­le — pho­to: LCTours

Schott­land und die Schot­ten gel­ten als rau, selbst die Römer trau­ten sich nicht dort hin. Und im Win­ter gilt das in beson­de­rer Wei­se, denn die See ist stür­misch, die Wol­ken hän­gen oft tief, es reg­net. Doch dann kommt das Früh­jahr: mit Nar­zis­sen, blü­hen­der Hei­de, mit – ja man glaubt es kaum – Son­nen­schein und tro­cke­nen Küs­ten­pfa­den, mit der Mög­lich­keit zum Pick­ni­cken am Strand. Ein kom­plett ande­res Schott­land, das so gar nicht zu unse­ren Kli­schees paßt. Grund genug, gera­de zu die­ser Zeit nach Schott­land auf­zu­bre­chen, Land und Leu­te – und Whis­ky – zu genie­ßen, und dann vol­ler Erin­ne­run­gen zurück­zu­keh­ren. Ich kann Ihnen garan­tie­ren, der Whis­ky im nächs­ten Win­ter schmeckt Ihnen noch­mal so gut.

Mit die­sen Über­le­gun­gen im Kopf ging es Mit­te Mai zunächst nach Edin­burgh, in die schot­ti­sche Haupt­stadt. Eigent­lich gar nicht weit weg: in knapp zwei Stun­den ist man dort, und es bedarf dann noch einer hal­ben Stun­de und man ist am Grass Mar­ket zu Füßen der Burg, sozu­sa­gen mit­ten­drin im mit­tel­al­ter­li­chen Teil der Stadt. Es ist Sams­tag Abend – der Platz ist vol­ler jun­ger Leu­te, ein Pub reiht sich am ande­ren – mit wun­der­ba­ren Namen wie White Hart oder The Last Drop. Man merkt, auf die­sem Platz wur­de Geschich­te geschrie­ben. Wir gehen in eines der Pubs, ordern unser Lager oder ein Guin­ness am Tre­sen, lau­schen der Live Music, wer­fen einen Blick auf das im Hin­ter­grund lau­fen­de Fuß­ball- und ein Cur­ling­spiel, unter­hal­ten uns ein wenig mit den schot­ti­schen Nach­barn. Man ist wirk­lich angekommen. 

In Edin­burg — pho­to: M. Baumert

Am nächs­ten Mor­gen gilt es zunächst, die Stadt zu erkun­den. Auf der ande­ren Sei­te des Berg­rü­ckens liegt der „Geor­gi­an“ Teil der Stadt, ein wenig „Das Haus am Eton Place“ – mit ähn­li­chen Plät­zen und – was ins­be­son­de­re die Ehe­frau­en erfreu­te – die Prin­cess Street, ein Ein­kaufs­pa­ra­dies, das auch am Sonn­tag zum Shop­pen ver­führt. Zu Füßen von Arthurs Seat (Edin­burghs Haus­berg) liegt Holy­ro­od House, der Sitz der Königs­fa­mi­lie in Edin­burgh – wie so vie­le Paläs­te im Ver­ei­nig­ten König­reich ursprüng­lich ein Klos­ter, heu­te von der Guard mit ihren Bären­fell­müt­zen und roten Jacken – am ande­ren Tag von High­land­ers in ihren Kilts bewacht. Von dort führt die Roy­al Mall hoch zum Burg­berg. Wer einen Kilt oder Tar­tans kau­fen möch­te, hier ist die Aus­wahl am größ­ten, von der „preis­wer­ten“ Ware für die Tou­ris­ten aus Fern­ost bis zum könig­li­chen Hof­schnei­der. Dazu Whis­ky-Läden in Fül­le. Und ein Mit­rei­sen­der ent­deckt dort sogar einen deut­schen Whisky! 

Hag­gis — das schot­ti­sche Natio­nal­ge­richt — pho­to: LCTours

Die Whis­ky Expe­ri­ence, gleich links vor dem Schloss, bie­tet eine ers­te Ein­füh­rung in die Whis­ky-Her­stel­lung, ver­fügt über eine beträcht­li­che Samm­lung von Whis­kys und bie­tet auch einen ers­ten Whis­ky zum Ver­kos­ten an. Dazu ein Restau­rant, das idea­len Beglei­ter zum Whis­ky anbie­tet, auch eine ers­te Chan­ce auf Hag­gis. Nach so viel Whis­ky bleibt noch ein wenig Zeit zum Kul­tur­ge­nie­ßen, z. B. in der Natio­nal Gal­lery of Scot­land, die über eine exqui­si­te Samm­lung von Gemäl­den schot­ti­scher Land­schaf­ten ver­fügt – ein Vor­ge­schmack auf die nächs­ten Tage.

Destil­la­te bei Auch­ent­oshan — foto: LCTours

Die Low­lands sind eigent­lich nicht groß – und so braucht man nur eine knap­pe Stun­de von Edin­burgh nach Glas­gow – dem wir uns ein ande­res Mal wid­men wol­len – denn nun geht es direkt zu unse­rer ers­ten Bren­ne­rei: Auch­ent­oshan. Wer­ner Obal­ski hat die Rei­se her­vor­ra­gend vor­be­rei­tet, und so wer­den wir gleich vom Distil­lery Mana­ger in Emp­fang genom­men, der uns in die Beson­der­hei­ten sei­ner Bren­ne­rei ein­führt: hier wird drei­fach destil­liert (statt sonst nur dop­pelt). Wir gehen die Pro­zess­schrit­te durch, die Spe­zia­lis­ten in der Grup­pe (ein veri­ta­bler Brenn­meis­ter) beein­dru­cken uns mit ihren Fra­gen – und wir erfah­ren vie­le Details, die letzt­lich einen guten Whis­ky aus­ma­chen: Das Bren­nen und das Lagern. Anschlie­ßend ver­tie­fen sich unse­re Nasen und Gau­men auf kon­kre­te­re Ver­glei­che – Whis­ky aus dem Hoch­land im Ver­gleich zu Auch­ent­oshan, ver­schie­de­ne Lager­dau­ern in ver­schie­de­nen Fäs­sern – gekonnt prä­sen­tiert vom Mas­ter Blen­der Jere­my Stephens. 

Invera­ry Cast­le — pho­to: LCTours

Ein wenig bene­belt geht es wei­ter – es herrscht aber wirk­lich strah­len­der Son­nen­schein als wir in Invera­ry Cast­le ankom­men, dem Stamm­sitz der Dukes of Argyll – dem einen oder ande­ren viel­leicht aus Down­ton Abbey (3. Staf­fel – Weih­nachts­spe­cial — Jour­ney to the High­lands) bekannt. Im Park blü­hen die Rho­do­den­drons, das Inte­ri­eur eine typi­sche Mischung aus geleb­ter Ver­gan­gen­heit, Waf­fen, Gemäl­de, Erin­ne­rungs­stü­cke. Durch das dazu­ge­hö­ri­ge Fischer­dorf geht es zügig auf die Kin­ty­re Halb­in­sel, müs­sen wir doch die Fäh­re nach Islay errei­chen. Nach zwei Stun­den Über­fahrt liegt das Traum­ziel aller Whis­ky-Enthu­si­as­ten (oder doch zumin­dest der meis­ten) vor uns. Mit unse­rem Klein­bus geht es die Steil­küs­te hoch auf das Insel­pla­teau. An der alten Burg der „Lords of the Isles“ vor­bei, kommt bald Bow­mo­re und schließ­lich Port Ellen, unser Quar­tier für die nächs­ten Näch­te. Noch ist die Insel nicht über­lau­fen, aber eine Woche spä­ter wür­de dies der Fall sein: Islay fei­ert dann sein Whisky-Festival.

Am nächs­ten Mor­gen heißt es sich ent­schei­den: die Aus­wahl fällt schwer, aber schließ­lich begin­nen wir in Ard­beg. Mickey Heads, der Distil­lery Mana­ger, führt selbst, steht Rede und Ant­wort, und schließt schließ­lich sein „Aller­hei­ligs­tes“, sein spe­zi­el­les Lager auf, und läßt uns Unge­wöhn­li­ches pro­bie­ren, u. a. einen fast Vier­zig­jäh­ri­gen von Ard­beg „vom Fass“. 

Kild­al­ton Cross auf Islay — pho­to: LCTours

Um den Kopf frei zu bekom­men, gibt es dann wie­der ein Häpp­chen Kul­tur: das Hoch­kreuz von Kild­al­ton wird ein Stück weit erwan­dert, durch die typi­sche hei­de­ähn­li­che Land­schaft Islays. Lag­avu­lin und Laphro­aig bil­den dann wei­te­re Whis­ky-Höhe­punk­te: es darf mit gemalzt wer­den – und man darf den Torf­ofen für das Trock­nen begut­ach­ten – danach ist klar, woher der cha­rak­te­ris­ti­sche Geschmack der Islay-Whis­kys kommt. Und dann hat da noch jede Bren­ne­rei ihr Geheim­nis: der Auf­bau ihrer Brenn­bla­sen, die – so die uns meist füh­ren­den Bren­ne­rei Mana­ger – dafür sor­gen, dass ihr Whis­ky der bes­te ist. 

Nach einem Strand­spa­zier­gang gibt es am Abend etwas ganz beson­de­res: unter den Klän­gen eines Dudel­sacks wird das Natio­nal­ge­richt Hag­gis her­ein­ge­tra­gen und mit der Ode an den Hag­gis des schot­ti­schen Natio­nal­dich­ters Robert Burns vor­ge­stellt. Bei aller anfäng­li­cher Skep­sis, die Zube­rei­tung in Port Ellen ist her­vor­ra­gend, und dazu paßt natür­lich wie­der loka­ler Whisky.

Bow­mo­re Dist. — Islay — pho­to: LCTours

Islay ist auch ein Land der Scha­fe – und so darf der Besuch bei der Woo­len Mill nicht feh­len – wo noch halb­me­cha­nisch die typisch schot­ti­schen Mus­ter gewebt wer­den, u. a. die Kilts, die im Film „High­lan­der“ und „Bra­ve­he­art“ getra­gen wur­den. Aber nicht nur die Damen sind von den Stof­fen begeis­tert, die Inge­nieu­re in der Grup­pe bewun­dern die „mecha­ni­sche Pro­gram­mie­rung“ der Web­stüh­le, die erst das halb­au­to­ma­ti­sier­te Arbei­ten ermög­licht. Dann gibt es wie­der Whis­ky, dies­mal in Bow­mo­re, des­sen Vault #1 der Ruf folgt, ein beson­ders güns­ti­ger Lager­raum zu sein, liegt er doch auf, manch­mal sogar unter Mee­res­ni­veau. Über­haupt: die Lage­rung. Sie macht aus dem farb­lo­sen „Spi­rit“, der aus der Destil­le kommt, erst den Whis­ky – nach min­des­tens drei, meist aber viel mehr Jah­ren. Natür­lich muß der Unter­schied zwi­schen einem „Bour­bon-gela­ger­ten“ und einem im Sher­ry­fass gela­ger­ten  getes­tet wer­den. Und auch die Mischung – ein wenig Blen­ding im Lager­raum – gibt über­ra­schend neue Nuan­cen. All­mäh­lich ler­nen auch die „New­bies“ die Unter­schie­de herauszuschmecken. 

Ard­beg — pho­to: LCTours

Nach­dem noch in den Acht­zi­ger Jah­ren zahl­rei­che Bren­ne­rei­en auf­ge­ge­ben wur­den, gibt es heu­te auch wie­der Neu­grün­dun­gen. Eine inzwi­schen sehr erfolg­rei­che neue Farm­bren­ne­rei ist Kilcho­man, die west­lichs­te der Bren­ne­rei­en auf Islay, nur über eine län­ge­re Sin­gle-Track-Road zu errei­chen. Sie bie­ten als Beson­der­heit einen Whis­ky an, der zu 100 % aus Islay stammt, der also auf Islay gewach­se­ne Gers­te als Roh­stoff ein­setzt. Und man ist stolz dar­auf, unab­hän­gig zu sein – gehö­ren doch die meis­ten Bren­ne­rei­en inzwi­schen gro­ßen Geträn­ke­kon­zer­nen oder Finanz­in­ves­to­ren. Glück­li­cher­wei­se lässt man den Distil­lery Mana­gers meist genü­gend Frei­raum, um die Spe­zi­fi­ka ihrer Whis­kies zu bewah­ren. Noch ein kur­zer Besuch bei Bun­na­hab­bain, male­risch am auf­grund sei­ner Strö­mung tücki­schen Islay Sound zwi­schen Islay und Jura gele­gen, dann war­tet die nahe Fäh­re zum Fest­land, dem schma­len Küs­ten­strei­fen von Kin­ty­re, des­sen Spit­ze mit dem Blick auf Irland (Mull of Kin­ty­re) von Paul McCart­ney besun­gen wur­de. In Camp­bel­town besu­chen wir noch rasch Glen Sco­tia, bevor wir müde von Ein­drü­cken und dem Whis­ky in die herr­li­chen Bet­ten des Roy­al Hotel fallen.

Lochran­za Cast­le — pho­to: LCTours

Die Insel Arran gilt als „Schott­land en minia­tu­re“, ver­fügt sie doch über High­lands und Low­lands, raue, hohe Ber­ge im Nor­den und einen lieb­li­che­ren Süden. Zunächst emp­fängt uns eine der typi­schen Cast­le Rui­nen: Lochran­za – hier kann man sich Shake­speares Tra­gö­die von Mac­beth leb­haft vor­stel­len. In der nahe­ge­le­ge­nen, recht neu­en Arran Distil­lery geht es da wesent­lich freund­li­cher zu. Auch wenn es schon wesent­lich wich­ti­ge­re Gäs­te gab als unse­re VIP-Grup­pe: so ste­hen im Lager zwei Fäs­ser, die den Prin­zen Wil­liam und Har­ry gehö­ren. Und das loka­le See­ad­ler-Pär­chen gilt bei­na­he als Mas­kott­chen, jeden­falls als Nach­weis für die intak­te Umwelt – und damit das gute Brau­was­ser. Auch Arran hat „sein“ Schloss: Bro­dick Cast­le, mit ein­drucks­vol­lem Blick aufs Meer und einem gera­de­zu bota­ni­schen Gar­ten mit dem Schwer­punkt Rho­do­den­drons — eine Far­ben­viel­falt gera­de im Mai.  Und dann leis­ten wir uns eine „pri­va­te“ Whis­ky­pro­be direkt am Meer: mit einer „Black Bot­t­le“ von Islay und Käse aus Arran, eine wür­zi­ge Viel­falt. Dar­über liegt ein Hauch von Blü­ten­duft, her­vor­ge­ru­fen vom inten­si­ven Tes­ten der Par­fum-Pro­duk­te der loka­len Arran Aro­ma­tics. Und wo es Whis­ky gibt, kann Bier nicht weit sein: die klei­ne „Arran Bre­wery“ ist eine Microb­re­wery mit bemer­kens­wer­tem Pro­dukt­spek­trum, das zu pro­bie­ren sich lohnt. Der Abend im Süden der Insel bie­tet noch ein­mal Schott­lands son­ni­ge Sei­te auf – für einen herr­li­chen Strand­spa­zier­gang oder einem Abste­cher zu einem der Stein­krei­se aus dem Neolithikum.

Der nächs­te Mor­gen beginnt früh, müs­sen wir doch recht­zei­tig die Fäh­re zum Fest­land bekom­men. Denn noch steht eine Bren­ne­rei auf dem Pro­gramm, eine beson­de­re: Glen­goy­ne – gebrannt wird in den High­lands, gela­gert in den Low­lands auf der ande­ren Stra­ßen­sei­te. Man ist stolz dar­auf, beson­ders lang­sam zu destil­lie­ren – und das letz­te Tasting unse­rer Rei­se war noch­mals ein Höhe­punkt – in Aus­wahl und Ambi­en­te, nahe der für den Whis­ky so wich­ti­gen Was­ser­quel­le. Und Glen­goy­ne treibt die so wich­ti­ge Aus­wahl der Fäs­ser, in denen der Whis­ky gela­gert wird, zur Per­fek­ti­on: Man lässt die Whis­ky-Fäs­ser fer­ti­gen, leiht sie den Sher­ry-Pro­du­zen­ten zur Lage­rung ihrer Sher­ries aus, um die so „gereif­ten“ Fäs­ser für die eige­ne Whis­ky-Lage­rung zurückzuholen.

Dann heißt es Abschied neh­men – eigent­lich viel zu früh, man hät­te noch tage­lang die­sem Rhyth­mus von Kul­tur und Whis­ky wei­ter fol­gen kön­nen – aber es gibt ja für den, der will, ein nächs­tes Mal. Wer­ner Obal­ski hat­te uns nicht zu viel ver­spro­chen: Es war eine hoch­in­ter­es­san­te Erfah­rung: viel über Schott­land, noch viel mehr über den Whis­ky. Wir fühl­ten uns zurecht als VIPs behan­delt: Inter­es­san­te Gesprächs­part­ner und Gesprä­che, beson­de­re Pro­ben und Ein­bli­cke, die Lust auf mehr machen… 

Ein Video zur Rei­se fin­den Sie hier.